Die Entgeltlücke wird im Hochlohnbereich geschlossen

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von Dr. Friedrich A. Fratschner


Die aktuelle Diskussion um die Frauenquote, die Aussagen des Statistischen Bundesamtes (destatis) zur geschlechtsspezifischen Entgeltlücke sowie unsere Erkenntnisse aus der Analyse von betrieblichen Entgeltlücken mit Logib-D zeigen: Es gibt zu wenige Frauen in attraktiven Fach- und Führungskräftestellen – und die wenigen Frauen, die es dort gibt, werden (im Zweifel) schlechter(er) bezahlt.

Zu den Fakten im Einzelnen:

1. Schlechterstellung im Unternehmen

Immer noch werden Frauen in Unternehmen schlechter bezahlt als Männer. Bezogen auf die Mittelwerte der Bezüge von Männern und Frauen ergibt sich eine Lücke von 22 -25 Prozent. Allerdings: Diese Lücke berücksichtigt nicht vergleichbare Stellen im Unternehmen. Sie bildet vielmehr den höheren Anteil von Männern in der Fach- und Führungskarriere ab, der dafür sorgt, dass die Mittelwerte der jeweiligen Bezüge von Frauen und Männern deutlich spreizen.

Reduziert man die Analyse auf wirklich vergleichbare Stellen und Stellenwertigkeiten, dann reduziert sich das Gap auf ca. 5 Prozent. Auch die Daten von destatis ergeben diesen Befund: Je ähnlicher die im Vergleich stehenden Stellen sind, desto niedriger ist die Entgeltlücke. Analysen von Baumgartner und Partner mit Logib-D zeigten zum Beispiel, dass die Entgeltlücke im Tarifbereich oder Sachbearbeiterbereich deutlich niedriger ist als im Spezialisten-/Führungskräftebereich.

Der eigentliche Skandal liegt damit oft nicht in der unterschiedlichen Vergütung vergleichbarer Stellen im Betrieb, sondern in der Abwesenheit von Frauen in der Karriere, was die unbereinigte Entgeltlücke anhebt. Aber dazu später mehr.

2. Schlechterstellung nach Branchen/Berufen

Neben der betriebswirtschaftlichen oder innerbetrieblichen Betrachtung gibt es die eher volkswirtschaftliche Betrachtung. Sie zeigt deutlich, dass Branchen, in denen viele Frauen beschäftigt sind (Pflege, Callcenter, Einzelhandel…) auch bei gleicher Wertigkeit der Stellen deutlich schlechter bezahlt werden als die männerdominierten Chemie- oder Metallbranche. Noch heute ist es so, dass Gewerkschaftler für Sonder-, Akkord- oder Belastungszahlungen (die dann meist männlich besetzten Stellen zukommen) ein deutlich höheres Verständnis haben als für Sonderzahlungen in der Verwaltung (wo man mehr Frauen findet).

Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass die Entgeltlücke vergleichbarer Stellen über Branchen hinweg weitaus höher ist als die bereinigte Entgeltlücke in den Unternehmen. Nach Analysen von Baumgartner & Partner liegen Pharma, Chemie und Medizintechnik im Mittel bei 110 Prozent, während der Einzelhandel bei 82 Prozent und soziale Einrichtungen bei 78 Prozent (Branchenindex) liegen.

Dieser Sachverhalt ist folgenden Einflussparametern geschuldet.

a. Der unterschiedlichen Ertragskraft der Branchen

b. Dem Anteil an Männern (und damit Hauptverdienern) an der Gesamt-Belegschaft

c. Dem Anteil von Teilzeit-Mitarbeitern/innen (und damit Zuverdiensten) an der Gesamt-Belegschaft

3. Anteil von Frauen in der Fach- und Führungskarriere

Die Entgeltlücke hat wenig mit dem Bild des Arbeitgebers zu tun, der Frauen gezielt schlechter vergütet. Dies zeigte sich auch im Rahmen der Logib-D Analysen, bei denen uns immer wieder gesagt wurde, dass es im jeweiligen Unternehmen X keine Entgeltlücke gäbe, denn das „wolle ja keiner“ und es wäre auch nicht die „policy des Hauses“. Vielmehr ist es so, dass Frauen aufgrund der Doppelbelastung Familie und Beruf oft nur die Chance haben in Teilzeit die Karriere fortzusetzen. Und Karrieren in Teilzeit werden in einem vollzeitorientierten Land wie Deutschland wenig angeboten bzw. es gibt eine hohen Widerstand gegen bzw. eine geringe Anerkennung für Karriere in Teilzeit.

Dies führt dazu, dass der Anteil an Frauen in hochwertigen Stellen bei 10 Prozent liegt und Männer dort mehr als überwiegen. Die Frauenquote setzt direkt dort an. Denn eine Entgeltlücke wird man nur schließen können, wenn zuerst der Anteil der Frauen in gut dotierten Stellen steigt. Unabhängig vom Beschäftigungsumfang.

4. Umfeldsituation wenig förderlich Neben dem Thema der Teilzeit ist die Umfeldsituation bedeutsam. In Zeiten, in denen Ganztagesbetreuung von Kindern zu den Ausnahmen gehört, muss man sich nicht wundern, wenn gut ausgebildete Frauen keinen Karrierezugang in Vollzeit haben können.

Das gilt für die vorschulische Betreuung und für die gesamte Schulzeit. Ein Land, in dem Schulen es sich erlauben können Kinder um die Mittagszeit nach Hause zu schicken und auf die Betreuung in der Familie vertrauen, sind keine gute Ausgangsbasis für leistungsfähige und –bereite Frauen.

Jetzt könnte man einwenden, dass die Rolle der Kinderbetreuung ja auch ein Mann übernehmen könnte. Das würde die Frauen fördern und unterstützen. Das Problem würde aber nur verlagert. Denn dann wäre der jeweilige Mann der Teilzeit-Benachteiligte im Karriereprozess.

Fazit: Ohne eine gut organisierte private Betreuung, die entweder Zeit oder Geld kostet, muss ein Partner (oder beide) in der Beziehung teilweise auf Karriere verzichten. Anders ausgedrückt: Nur in Familien, in denen man sich die Betreuung leisten kann, können beide Partner die Karriere in Vollzeit umsetzen. Eine Ausgangs- Situation wie Marissa Mayer, CEO von Yahoo – die sich Ihr Kind zum Stillen mit Chauffeur ins Unternehmen fahren lässt - haben leider nur die wenigsten Frauen

5. Verlierer sind oft gut qualifizierte Frauen

Verlierer sind – insbesondere wenn die angestrebte Besetzung höherwertiger Stellen im Vordergrund steht - höherqualifizierte Frauen. Denn diese Frauen haben nach anfänglicher Fachkarriere (Berufseintritt nach Studium) und dem Übergang in die Teilzeit nach der Erwerbsunterbrechung oft keinerlei Chancen, die Karriere fortzusetzen. Dies liegt

• an der geringen Betreuungsquote von Mitarbeitern in der Erwerbsunterbrechung durch das Arbeit gebende Unternehmen

• den oft nicht gut organisierten Wiedereinstiegen nach familienbedingter Unterbrechung

• aber vor allem darin, dass Karriere in Teilzeit nicht zugelassen wird (vgl. nachfolgend).

6. Keine Akzeptanz für Karriere in Teilzeit

Ein wesentlicher Aspekt für die Schlechterstellung von Frauen ist das Thema Teilzeit und Karriere. Gering vergütete Stellen sind in Teilzeit jederzeit verfügbar (Reinigung, Callcenter, Handel…) aber in gut bezahlten Stellen gibt es wenige attraktive Teilzeitstellen. Dies muss sich ändern. Darauf zu vertrauen, dass die Umfeldsituation sich ändern wird – so scheint es u.a. auch vor dem Hintergrund der Diskussion um die „Herdprämie“ ( Betreuungsgeld /inzw. als verfassungswidrig eingestuft) – wird u.E. vergebens sein.

7. Kostentreiber Demographie zwingt zu Teilzeit-Erhöhung

Vielmehr müssen Unternehmen Ihre Arbeitszeitmodelle überprüfen. Dazu werden die Unternehmen faktisch auch gezwungen, da die alternde TeilzeitBabyboomer-Generation zwei Aspekte vereint.

• Ein hohes Fachwissen, das Unternehmen nicht innerhalb weniger Jahre verlieren wollen, aber auf der anderen Seite

• Ein hohes Besitzstandsdenken und über mehrere Jahrzehnte dynamisierte Bezüge, die in vielen Fällen die Kostenbelastung der Unternehmen in eine nicht mehr akzeptable Höhe treiben. Ziel muss es sein, das Fach- und Managementwissen zu geringeren anteiligen Kosten zu halten. Hier wird das Teilzeit-Modell für ältere Mitarbeiter interessant. In Kombination mit dem TZ-Modell für jüngere Frauen kann daraus ein Erfolgsmodell werden.

8. Wozu dient eine geringe Entgeltlücke wirklich?

Unternehmen die mittels einer Logib-D Analyse feststellen, dass ihre Vergütungsstrukturen eine Entgeltlücke aufweisen, erkennen sehr oft, dass sie diese nur reduzieren können durch Erhöhung des Anteil an Frauen in höheren Stufen der Karriereleiter. Dazu müssen sie eingetretene Pfade und Klischees (der boys clubs) verlassen. Es müssen in Zeiten des Fachkräftemangels neue Konzepte der Arbeitszeitgestaltung erarbeitet werden. Ein weiterer Anstoß zur Verhaltensänderung kommt direkt von der Generation Y, die bereits im Bewerbungsgespräch nach dem Sabbatical statt dem Firmenwagen oder der Karriere fragt. Ziel zukunftsweisender Personalpolitik muss sein, mit konsequenter Flexibilisierung von Abläufen und – prozessen erfolgreiche Erwerbperspektiven und geänderte Lebensgewohnheiten gut ausgebildeter junger Menschen zu vereinbaren. Zum Nutzen des Unternehmens und zum Nutzen der Mitarbeiter.

Informationen zum Autor

Der Autor ist Geschäftsführender Partner bei Baumgartner & Partner Management Consultants GmbH (Hamburg und Frankfurt) und berät u.a. Unternehmen im Zusammenhang mit der Vergütungsstrukturanalyse durch Logib-D. An Logib-D können interessierte Unternehmen sehr kostengünstig teilnehmen. Weitere Infos gibt es unter logib-d@baumgartner.de.

Darüber hinaus war der Autor Referent beim EPD Forum 2014 in Frankfurt zum Thema „Transparenz schaffen in Vergütungsstrukturen mit Logib-D“. Der Film zum Vortrag ist unter folgendem Link abrufbar: Dr. Friedrich A. Fratschner: Transparenz schaffen in Vergütungsstrukturen mit Logib-D

Siehe auch Schwerpunktthema 2016: Berufe mit Zukunft