Digitalisierung

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Unter Digitalisierung wird Verschiedenes verstanden. Die Kommission Arbeit der Zukunft definiert Digitalisierung als "einen umfassenden Transformationsprozess, der in nahezu allen Branchen und in der Gesellschaft insgesamt stattfindet. Der Produktionsweisen, Geschäftsmodelle, Wertschöpfungsketten, Arbeitskulturen und Denkweisen verändert."[1] Veränderungen in der Arbeitswelt werden dabei schnell und grundlegend vonstatten gehen.

Chancen der Digitalisierung

Der Arbeitsmarkt verändert sich durch die Digitalisierung schnell und sprunghaft. "Der digitale Umbruch bietet Chancen zur Verbesserung der Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen. Dies ist jedoch kein Selbstläufer und erfordert eine wirksame Gestaltung. Denn Chancen und Risiken für Frauen liegen eng beieinander. Ob sie zu den Gewinnerinnen der Digitalisierung zählen werden, ist aktuell noch unklar. Die Gestaltung des digitalen Umbruchs in den Unternehmen ist eine heute noch vielfach ergebnisoffene Transformation, die erhebliche Veränderungen mit sich bringen wird. Aber dies beinhaltet auch die wichtigste Stellschraube für die Verbesserung der Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen. Es geht darum, durch die Identifizierung von Möglichkeitsräumen den aktuell stattfindenden Aufbruch der Unternehmen ins digitale Zeitalter für eine gendergerechtere Arbeitswelt zu nutzen."[2]

Eine ähnliche Aussage trifft auch Prof. Christiane Funken: Laut ihrer Einschätzung ist die Zukunft der Arbeitswelt weiblich. "Projekte mit einer geballten interdisziplinären Kompetenz können nur dann erfolgreich sein, wenn die Teammitglieder immer wieder neu fachfremdes Denken verarbeiten, Konflikte zwischen den Fachkulturen lösen, sensibel den Kunden einbeziehen und flexibel auf stets wechselnde räumliche und personelle Herausforderungen reagieren. Das alles sind Skills, für die Frauen gut vorbereitet sind. Aufgrund ihrer Sozialisation und Lebenssituation sind sie durchweg gute Teamplayer mit psychologischem Gespür, Integrationskraft, Kreativität und, das ist wichtig: hoher mentaler und organisatorischer Flexibilität – also genau die Future Skills, die in der neuen, vernetzten Arbeitswelt gefordert werden."[3]

Risiken der Digitalisierung

Neben den genannten Chancen durch die Digitalisierung werden jedoch auch häufig die Risiken der Digitalisierung genannt:

Die Studie "The Future of Employment" von Osborne und Frey hat die Beschäftigungseffekte durch die Digitalisierung in den USA berechnet. Die Studie zeigt, dass knapp die Hälfte der Jobs in den USA durch die Digitalisierung gefährdet sein können. Das betrifft vor allem Bereiche und Jobs, die automatisiert und durch Computer oder Roboter ersetzt werden können.

Eine Studie des BMAS wendet diese Methodik auf den deutschen Arbeitsmarkt an und zeigt, dass hier ca. 42 Prozent der Jobs durch Automatisierung wegfallen können. Die Studie zeigt weiterhin, dass eine hohe Automatisierungswahrscheinlichkeit für 12 Prozent der Jobs in Deutschland besteht. Generell wird eingeschätzt, dass der Beschäftigungseffekt deutlich geringer als 47 Prozent in den USA und 42 Prozent in Deutschland ausfallen werden. Insgesamt ist jedoch hinzuzufügen, dass die Automatisierungswahrscheinlichkeit für Geringqualifizierte und Geringverdiener relativ hoch ausfällt.[4]

Daneben ist herauszustellen, dass durch die Digitalisierung auch Jobs geschaffen werden. Diese liegen jedoch vermehrt im Hochlohn- und Hochqualifizierungsbereich. Weiterhin erfordern die Veränderungen durch die Digitalisierung auch einen zunehmenden Bedarf an technischen Skills, die bisher wenig in formaler Bildung abdeckt werden.

Eine weitere Herausforderung ist die Entgrenzung von Arbeit und die mögliche Zunahme der Kontrolle der Arbeitnehmenden durch die Nutzung von mobilen Endgeräten. Mit mobilen Geraten, wie Laptop oder Smartphone, und einem Internetzugang lässt sich von überall aus einfach arbeiten und erreichbar sein. Es muss keinen festen Standort für eine Arbeitsstätte oder feste Arbeitszeiten mehr geben. Das Maß der Flexibilität vergrößert sich zusehends, doch hierin liegen auch Gefahren. Arbeitgebende können nachvollziehen, wann Arbeitnehmende was machen und hier verstärkt Kontrolle ausüben. Daneben kann auch durch dauerhafte Erreichbarkeit am Abend oder am Wochenende freie Zeiten auf der Strecke bleiben. Wenn Arbeit keine Grenzen mehr kennt, steigt das Gesundheitsrisiko an. Hier besteht auch großer Gestaltungsspielraum - gerade von Arbeitnehmenden - die wachsende Flexibilisierung zu nutzen, um z. B. die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken.

Sascha Lobo hat 2014 auf den Plattform-Kapitalismus aufmerksam gemacht. Plattformen, wie Uber, vermitteln Dienstleistungen nach Bedarf und gegen ein relativ geringes Entgelt. Lobo kritisiert, dass durch Kontrolle und die häufige Nutzung von Aktionssystemen, Beschäftigte, die hier ihre Dienste anbieten - häufig selbstständig - systematisch ausgebeutet werden. "Das Problem [...] die Transformation des digitalen Wirtschaftssystems zum Plattform-Kapitalismus und die mangelnde Vorbereitung von Politik und Gesellschaft darauf."[5]

Jeder und jeder kann auf Plattformen Arbeit anbieten. Die Tätigkeiten können von Kleinstaufträgen bis hin zu längerfristigen Dienstleistungen reichen. In Deutschland ist jedoch die Arbeit über Plattformen - als Click- oder Cloud-Worker - ein nahezu rechtsfreier Raum. Es ist bisher nicht klar, ob Personen, die Dienstleistungen anbieten, als Arbeitnehmende, arbeitnehmendenähnliche Personen oder Selbstständige gelten. Plattformen geben an, dass sie selbstständig agierende Personen vermitteln und demnach nicht als Arbeitgebende fungieren, da sie lediglich die technischen Möglichkeiten der Vermittlung zur Verfügung stellen. Daneben ist die Bezahlung der angebotenen Dienstleistungen nicht reguliert, was häufig zu sehr geringen Verdienste für geleistete Tätigkeiten führt. Daraus resultiert auch die Frage der Sozialversicherung - kann von geringen Löhnen ein Selbstständiger allein vorsorgen? Gerade um hier anzusetzen, wird verstärkt die Einführung einer Erwerbstätigenversicherung diskutiert, damit alle Beschäftigten den Schutz der Sozialversicherungen erhalten können.[6]

Exkurs: Gender Pay Gap in der Tech Industrie

Die High Tech Branche ist eine Männderdomäne. Nur rund ein Drittel Frauen sind in der Branche zu finden. Obwohl die Gehälter in der High Tech Branche im Vergleich zu anderen Branchen relativ hoch ausfallen, ist ein großer Gender Pay Gap sichtbar: In Großbritannien liegt der Gender Pay Gap im High Tech Bereich bei 25 Prozent (im Vergleich: ein Gender Pay Gap von 18 Prozent über alle Branchen).[7] In den USA ist ebenso ein größerer Unterschiede in den Gehalten festzustellen.[8] In Deutschland sind ebenfalls signifikante Unterschiede erkennbar, diese liegen jedoch unter Durchschnitt.[9]

Der Gender Pay Gap im High Tech Bereich zeigt auch, dass bisher nur wenige Frauen in diesem Bereich aktiv sind und dass dieser Bereich besonders von der Arbeitsmarktsegregation betroffen ist. Gerade Berichte aus den USA deuten auf tiefsitzenden Sexismus im Silicon Valley hin. Frauen würden demnach ungleich behandelt und seien häufig Belästigungen ausgesetzt.[10] Das zeigt auch der Fall von Ellen Pao: sie klagte gegen ihren früheren Arbeitgeber, Kleiner Perkins Caufield & Byers, und argumentierte, dass sie aufgrund ihres Geschlechts nicht befördert worden war. Pao verlor jedoch den Fall, da das Gericht keine Diskriminierung in ihrem Fall vorliegen sah.[11]

Quellen

  1. Kommission Zukunft der Arbeit: Digitalisierung
  2. Marrs, K. et. al. (2015). Wo geht die Reise hin? In: DGB Frauen
  3. Funken, C. (2017). Die Zukunft der Arbeitswelt ist weiblich. In: Equal Pay Day Journal 2017, S. 26
  4. BMAS (2015). Übertragung der Studie von Frey/Osborne (2013) auf Deutschland
  5. Sascha Lobo: Auf dem Weg in die Dumpinghölle. In: Spiegel Online
  6. Hans-Böckler-Stiftung: Im rechtsfreien Raum
  7. Mercer: Gender Pay Gap in the UK High Tech Industry
  8. Pay Scale: Tech and the Gender Pay Gap
  9. Lohnspiegel: EVD/IT-Berufe
  10. The Atlantic: Why Is Silicon Valley So Awful to Women? sowie Spiegel Online: Der Elefant im Tal der weißen Männer
  11. New York Times: Ellen Pao Loses Silicon Valley Bias Case Against Kleiner Perkins

Allmendinger, J. (2016). Gute Arbeit - Ein analytischer Diskussionsrahmen

Handlungsbroschüre: Frauen in der digitalen Arbeitswelt von morgen

Funken, C. (2016). Eine fundamentale Veränderung unserer Arbeitswelt. In: Zeit Online

Funken, C. (2017). Die Zukunft der Arbeitswelt ist weiblich. In: Equal Pay Day Journal 2017

Sascha Lobo: Auf dem Weg in die Dumpinghölle. In: Spiegel Online

Hans-Böckler-Stiftung: Im rechtsfreien Raum

Siehe auch

Kommission Arbeit der Zukunft: Dossier Digitalisierung

Forschungsprojekt: Frauen in der digitalen Arbeitswelt von morgen

Accenture (2016). Getting to equal - Schließt Digitalisierung die Geschlechterlücke?

BMAS: Arbeiten 4.0

Bertelsmann Stiftung (2016). Digitalisierung und Arbeitsmarkt - Sechs Szenarien für Deutschlands Arbeitsmarkt

Betterplace (2017). Bridging the Digital Gender Gap