Arbeitsbewertung
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Arbeitsbewertung
Der Wert der Arbeitsleistung bestimmt den Lohn. Gleichwertige Arbeiten müssen gleich entlohnt werden. Art. 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union besagt: „Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher“. Der „Gender Pay Gap“ lehrt uns, dass noch kein Mitgliedsstaat diesen Grundsatz restlos umgesetzt hat. Warum? Es ist keine leichte Aufgabe, objektive Kriterien für „Gleichwertigkeit“ zu entwickeln und in der Betriebspraxis umzusetzen. Auch eröffnet jede Bewertung subjektive Wertungsspielräume – die genutzt werden. Es gibt im Wesentlichen zwei Bewertungsverfahren:
1. Summarische Arbeitsbewertung: Sie kommt ganz überwiegend in Vergütungssystemen (Tarifverträgen) zum Einsatz und bewertet eine Tätigkeit als Ganzes. Problem: die verwendeten Bewertungskriterien erlauben häufig keinen Vergleich – und Tätigkeitsmerkmale, die für „typische Frauenberufe“ prägend sind, werden oft nicht gesondert bewertet. Beispiel: die körperlichen Anforderungen durch Heben und Tragen sind in Gesundheitsberufen „eingepreist“, während diese im Transportwesen einen „Erschwerniszuschlag begründen. Ein weiteres Beispiel: Familienbedingte Unterbrechungszeiten mindern die „Berufserfahrung“ (zumindest nominell) – die im Fall der kontinuierlichen Erwerbstätigkeit im Rahmen der „Stufensteigerungen“ berücksichtigt würde. Es ist offensichtlich, dass diese Form der Arbeitsbewertung Nachteile für Frauen bietet.
2. Analytische Arbeitsbewertung: Die analytische Arbeitsbewertung wendet ein festgelegtes Set von Kriterien auf alle Tätigkeiten an und nimmt eine Gewichtung vor. Die so gewonnenen Werte werden addiert und bilden die Grundlage für die Bewertung der Arbeitsleistung. Geschlechtergerechtigkeit wird dann erzielt, wenn auch Kriterien wie „Psychische Belastung“ oder „Monotonie der Arbeit“ erfasst werden. Ein sehr differenziertes Arbeitsbewertungsverfahren bietet der Entgeltgleichheits-Check (EG Check): Er untersucht alle Vergütungsbestandteile (Grundentgelt, Stufensteigerungen, Leistungsvergütungen, Überstundenvergütungen, Erschwerniszuschläge) einzeln in einem dreistufigen Test nach möglicher Diskriminierung.
Aushandlungsprozess
Warum müssen wir immer wieder lesen, dass Frauen in eigener Sache schlecht verhandeln? Verhandlungskompetenz ist Sozialkompetenz – und die wird doch gerade den Frauen in besonderer Weise zugeschrieben. Mit Blick auf die Lebenslaufperspektive sind zwei sehr unterschiedliche Szenarien von Bedeutung: die Erwerbssituation und die Familiensituation.
Frauen mit Familie messen typischerweise der Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen höheren Stellenwert zu als der Höhe des Gehalts. Daher handeln Frauen eher ein familienfreundliches Rahmenpaket aus und merken erst nach einer Rückkehr in den Beruf im Anschluss an eine familienbedingte Unterbrechung, welche Narbeneffekte ihre damalige Entscheidung für die weitere Entgeltentwicklung hat.
Wie wirkt sich diese Familienfreundlichkeit auf die Verhandlungssituation innerhalb der Familie, d. h. insbesondere innerhalb der Paarbeziehung, aus? Wer setzt sich durch, wenn es um Freizeit oder um Einkommensverwendung geht? Eine sehr aufschlussreiche Zusammenstellung einer Vielzahl nationaler und internationaler Erhebungen zeigt: Bestimmer ist regelmäßig, wer das meiste Geld nach Hause bringt. So steigt zum Beispiel der Freizeitanteil der Frau mit der Höhe ihres relativen Erwerbseinkommens an – sie kann ihn sozusagen mit der Macht des Geldes durchsetzen. Bis zur Grenze, die sie ihrer Durchsetzungsfähigkeit selbst setzt: Sobald sie über ein höheres Einkommen verfügt als der Mann, übernimmt sie mehr Haushaltstätigkeiten als der geringer entlohnte männliche Partner. Dieses paradoxe Verhalten wird als Kompensationsleistung für die Abweichung von der Norm interpretiert und ist als ‚gender display‘ oder ‚doing gender‘ in zahlreichen soziologischen Studien bestätigt worden.
Des Weiteren lässt das Ehegattensplitting mit seinem – im Vergleich zur Individualbesteuerung – höheren Grenzsteuersatzes für den zweiten verdienenden Ehepartner (meist die Ehepartnerin) deren Erwerbstätigkeit zumindest kurzfristig weniger attraktiv erscheinen. Der Splittingvorteil vergrößert zwar in der Regel das Haushaltseinkommen eines Paares, mindert aber die relative Verhandlungsposition des nichterwerbstätigen Partners.
Beurteilungen
Leistungsbeurteilungen sind insbesondere im öffentlichen Dienst eine wesentliche Grundlage für den beruflichen Erfolg. Sie werden entweder periodisch oder anlassbezogen durchgeführt und bewerten neben der eigentlichen fachlichen Leistung auch Kompetenzen wie Planungs- und Organisationsfähigkeit, Motivationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Gesprächsführungskompetenz, Teamfähigkeit, Belastbarkeit, Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein, Entscheidungsfähigkeit sowie Initiative und Innovationsfähigkeit – um nur einige zu nennen. Auch in der Wirtschaft werden, z. B. über das Instrument der Zielvereinbarungen, zunehmend regelmäßige Leistungsbeurteilungen durchgeführt als Grundlage für leistungsbezogene Entgelte.
Wie kommen nun diese Urteile zustande? Wo gemessen und gezählt werden kann, erscheint die Sache einfach. Aber: Eine Akte ist nicht gleich eine Akte. Die eine ist umfangreich und bietet doch keine besonderen Schwierigkeiten – und die andere ist ganz dünn, wirft aber eine Menge fachlicher Fragen auf. Wollte man sich da vertiefen, würde das Zeit kosten und sich misslich auf die Erledigungsstatistik auswirken. Da bietet es sich dann an, zügig „nach Aktenlage“ zu entscheiden. Das bringt Punkte bei der Entscheidungsfähigkeit – birgt aber das Risiko, dass die Entscheidung falsch ist und in der nächsten Instanz aufgehoben wird. Das könnte Punktabzug beim Verantwortungsbewusstsein oder bei der fachlichen Kompetenz zur Folge haben. Auch Innovationsfähigkeit wirkt bekanntlich keineswegs immer nur vorteilhaft.
Die Leistungsbeurteilung ist immer auch Ergebnis einer geschulten Beurteilungsfähigkeit dessen, der sie vornimmt. Das Einfließen persönlicher Wertmaßstäbe wird nur schwer auszuschließen sein. Wer die Entscheidung für eine (familienbedingte) Teilzeitbeschäftigung als fehlendes Verantwortungsbewusstsein oder fehlendes Engagement in der Sache wertet, wird sich schwer tun, der betreffenden Person eine Empfehlung auszusprechen. Daher schlägt die Sachverständigenkommission vor: „Zusätzlich sollten als weiterer Bestandteil der Leistungsbewertung für Führungskräfte deren Engagement für die gleichstellungsorientierte berufliche Entwicklung der ihnen unterstellten weiblichen und männlichen Beschäftigten aufgenommen werden. Ein Bonuspunkte-System bei erfolgreicher Besetzung auch leitender Positionen für Frauen wie Männer kann hier als zusätzlicher Anreiz dienen“.[1]
Tarifvertrag
Ein Tarifvertrag ist der schriftliche Vertrag zwischen einem oder mehreren Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden einerseits und einer oder mehreren Gewerkschaften andererseits (Tarifvertragsparteien). Er regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen über Inhalt, Abschluss und Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen. Die Rechtsnormen des Tarifvertrages gelten unmittelbar zwischen den Tarifgebundenen und haben eine zwingende Wirkung. Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen dürfen von den Tarifnormen nicht zuungunsten des Beschäftigten abweichen (Unabdingbarkeit). Man unterscheidet verschiedene Tarifvertragsarten (u.a. Vergütungs-, Rahmen- und Manteltarifverträge). Die Tarifverträge werden im Tarifregister verzeichnet.
Vergütungstarifverträge regeln die Höhe der tariflichen Grundvergütung in Form von Lohn-, Gehalts- bzw. Entgelttabellen (Tabellenvergütung).
Rahmentarifverträge (auch Lohn- und Gehaltsrahmentarifverträge genannt) legen die Lohn- bzw. Gehaltsgruppen fest, definieren die Gruppenmerkmale und treffen die Regelungen zur Leistungsentlohnung.
Manteltarifverträge enthalten Bestimmungen über sonstige Arbeitsbedingungen, wie z.B. Einstellungs- und Kündigungsbestimmungen, Arbeitszeit, Erholungs- und Sonderurlaub, vorübergehende Freistellungen, Zuschläge für Mehr-, Nacht- und Schichtarbeit, Arbeitsbedingungen und Bestimmungen zum Rationalisierungsschutz.
In Deutschland liegt die Tarifbindung für Arbeitnehmende bei 46 Prozent (Daten aus dem Jahr 2014). Das bedeutet, dass 46 Prozent der Arbeitnehmenden nach Tarif entlohnt werden. Hingegen fallen nur 15 Prozent der Unternehmen unter einen Tarifvertrag, was bedeutet, dass vor allem große Unternehmen an Tarifverträge gebunden sind.[2]
Zwischennachweise
- ↑ Boll, C. & Beblo, M. (2013). Das Paar, eine Interesseneinheit? Friedrich-Ebert-Stiftung Forum Politik und Gesellschaft, S. 27 ff.
- ↑ Statistisches Bundesamt (2016). Tarifbindung
Quellen
Hans Böckler Stiftung (2015). Lohnspiegel.
Tondorf, K. & Jochmann-Döll, A. (2015). Entgeltgleichheit prüfen mit EG-Check.
Hans Böckler Stiftung (2015). Tarifglossar.
Siehe auch
WSI Studie: Arbeitsbewertungen als blinder Fleck in der Ursachenanalyse des Gender, 2018
FES: Aufwertung macht Geschichte, 2016
Bundesagentur für Arbeit: Entgeltatlas