Steuerliche Rahmenbedingungen

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Ehegattensplitting

Das Thema Ehegattensplitting ist das Kontinuum der Gleichstellungsdebatte: es entfaltet seinen größten Effekt, wenn ein Partner kein Einkommen erzielt oder höchstens im abgabenprivilegierten Minjob arbeitet. Wissenschaftliche Untersuchungen wie auch die tägliche Lebenserfahrung belegen, dass diese Form der Ehegattenbesteuerung ein wesentlicher Stabilisator des überkommenen „Alleinverdienermodells“ ist, welches mit einem möglichen Arbeitsplatzverlust, Erwerbsunfähigkeit oder gar dem Tod desselben den anderen Partner in eine Existenzkrise stürzt. Nach jüngster Rechtsprechung des Bundesverfassungerichts können auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften von diesem Relikt aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts „profitieren“ – wenn sie die überkommene Aufgabenteilung leben und ihre Beziehung als eine Wirtschaftsgemeinschaft sehen, bei der es unerheblich ist, was der/die Einzelne zum Familieneinkommen beiträgt. (Dazu s. „Aushandlungsprozesse“). Außerhalb Deutschlands gibt’s das nur noch in Luxemburg und Polen.

Die Sachverständigenkommission für den Gleichstellungsbericht sieht im Ehegattensplitting, insbesondere der hohen Grenzsteuerbelastung der „Hinzuverdienerin“ in Lohnsteuerklasse V, einen Anreiz für eine Einschränkung der Erwerbstätigkeit von (verheirateten) Frauen. Ihr Vorschlag: Die Lohnsteuerklassenkombination III/V durch die Lohnsteuerklassenkombination IV/IV mit Faktor zu ersetzen. Bei der Ehegattenbesteuerung sollte grundsätzlich auf den in Europa weit verbreiteten Modus der Individualbesteuerung umgestellt werden.

Doppelverdiener

Seit in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts Frauen sich den Zugang zu Berufen erkämpft haben, die auch Männer interessieren – nahm die „Doppelverdienerkampagne“ Fahrt auf. Frauen wurden mit Eheschließung aus ihrem Beruf gedrängt. Der Verdrängungsprozess wurde durch die Ehegattenbesteuerung wirkungsvoll unterstützt: beide Einkommen wurden zusammengerechnet und als „Haushaltseinkommen“ nach derselben Tabelle wie für Einzelpersonen besteuert. Damit fiel das zweite Einkommen nahezu komplett der Steuer zum Opfer. Schon damals wurde das Ehepaar als Einheit gesehen, die (unnötigerweise) doppelt verdiente.

1957 erklärte das Bundesverfassungsgericht diese Form der Bestrafung von ehelicher Erwerbsarbeit für verfassungswidrig. Der Gesetzgeber hätte in dieser Situation die Chance ergreifen können, den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG durch die Einführung der verbindlichen Individualbesteuerung umzusetzen. Derartig viel Gleichheit war aber nicht gewollt: die Herren Abgeordneten hielten stattdessen am steuerlichen Begriff des Haushaltseinkommens fest und führten als Neuerung lediglich den Splittingtarif ein, mit dem jedem Ehepartner die Hälfte dieses Einkommen zugerechnet wurde – unabhängig vom tatsächlich erarbeiteten Verdienst. Im Fachsprech der Steuerrechtler mutierten damit die „Doppelverdiener“ zu „Beidverdienern“.

Das Verfahren wurde als Familienförderung etikettiert. Allerdings: wenn die Beidverdiener gleich viel verdienen, wirkt sich der Splittingeffekt nicht aus. Dann gibt es auch keinen Raum für diese Form der Familienförderung. Wenn jedoch der „Zweitverdiener“ (typischerweise die Frau) weniger verdient, wirkt sich der „Splittingvorteil“ als Motivationsbremse für die Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung aus.

Quellen

BMFSFJ (2011). Neue Wege - Gleiche chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebenslauf. Erster Gleichstellungsbericht. Drucksache 17/6240.