Schwerpunktthema 2023: Die Kunst der gleichen Bezahlung

Aus Equal Pay Wiki
Version vom 12. Mai 2023, 10:54 Uhr von Lilly.Schön (Diskussion | Beiträge)

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Im Bereich von Kunst und Kultur zeigen sich die strukturellen Ursachen für den Gender Pay Gap wie durch ein Vergrößerungsglas. Dieselben Strukturen, die gesamtgesellschaftlich zu einer Lohnlücke von 18 Prozent führen, bewirken, dass Frauen hier 30 Prozent weniger verdienen als Männer. Gleichzeitig ist der Kulturbereich wie kein anderer in der Lage, in die Zukunft zu blicken und heute schon sichtbar zu machen, wie eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleich bezahlt werden, aussehen könnte.

Unter dem Motto „Die Kunst der gleichen Bezahlung“ präsentiert die Kampagne Lösungsmöglichkeiten für mehr Lohngerechtigkeit in Kunst und Kultur, die wegweisend für die gesamte Arbeitswelt sind.

Kick-Off-Veranstaltung „Die Kunst der gleichen Bezahlung“ am 7. Oktober 2022 in Berlin und per Stream

Unter dem Motto „Die Kunst der gleichen Bezahlung“ startete am 7. Oktober 2022 bundesweit die Equal Pay Day Kampagne 2023. Die Kick-off-Veranstaltung konnte in der Inselgalerie in Berlin live und gleichzeitig als Livestream mitverfolgt werden. Der nächste Equal Pay Day findet am 7. März 2023 statt. Die Inselgalerie verschafft seit fast 30 Jahren vorrangig Künstlerinnen eine öffentliche Plattform. Zurzeit stellen Künstlerinnen des Malerinnennetzwerks Berlin-Leipzig aus. Entgeltgleichheit und die Gleichbewertung der Arbeit der Geschlechter seien wichtige Themen der Galerie, wie die Leiterin der Galerie Eva Hübner erklärte.

In ihrem digitalen Grußwort betonte Margit Gottstein, Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): „Der Gender Pay Gap in Kunst und Kultur von unfassbaren 30 Prozent zeigt wie durch ein Vergrößerungsglas die strukturellen Ursachen der gesamtgesellschaftlichen Lohnlücke von 18 Prozent: tradierte Genderstereotype, die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mangelnde Gehaltstransparenz. Die Zeit der ungleichen Bezahlung muss ein Ende haben!“, forderte sie. Elterngeld, die Erhöhung des Mindestlohns und das Gesetz für mehr Frauen in Führungspositionen seien bereits umgesetzte Maßnahmen. Mit dem Gleichstellungscheck für Gesetze, Kitaqualitätsgesetz und Ganztagsbetreuung in der Grundschule, der Umsetzung des 2. Führungspositionengesetzes und der Weiterentwicklung des Entgelttransparenzgesetzes mache sich das BMFSFJ weiter dafür stark.

Birte Siemonsen, Präsidentin Business and Professional Women (BPW) Germany e.V., der seit 2008 den Equal Pay Day initiiert, stellte das neue Motto der Kampagne vor. Der eklatante Gender Pay Gap von 30 Prozent in Kunst und Kultur gründe nicht auf mangelndem Können oder fehlendem Verhandlungsgeschick von Frauen. Die strukturellen Ursachen seien die gleichen wie beim gesamtgesellschaftlichen Gender Pay Gap. „Hier muss sich etwas ändern!“, forderte Siemonsen. „Und zwar gesamtgesellschaftlich und politisch.“ Geschlechtergerechter Zugang zu Förderung, Etablierung von Parität in Gremien, Transparenz bei Gehältern und Honoraren und weitere Verbesserung der Kinderbetreuung seien wichtige Bausteine. Sie rief dazu auf, bewusst Kunst von Frauen zu konsumieren und am Equal Pay Day aktiv zu werden. Nur gemeinsam könne es gelingen, dass der Gender Pay Gap bald Geschichte wird.

Bei der Podiumsdiskussion beleuchteten Esther Gronenborn vom Vorstand ProQuote Film, Alice Münch vom Aktionsbündnis fair share! Sichtbarkeit für Künstlerinnen, Heike Scharpff vom Vorstand Pro Quote Bühne und Dagmar Schmidt, Vizepräsidentin des Deutschen Kulturrats jeweils aus der Sicht ihres Verbandes die Herausforderungen für Künstlerinnen. Die Podiumsteilnehmerinnen waren sich einig: Das Bild des nur für die Kunst lebenden Genies führt dazu, dass Frauen weniger zugetraut wird. Dadurch sind sie weniger sichtbar, werden weniger beauftragt und erfüllen, wenn sie Mutter sind und durch Zeiten familiärer Fürsorgeverantwortung ihre Berufsbiografien Lücken aufweisen, oft auch nicht mehr die Anforderungen für Förderungen. Leitungsteams oder Doppelspitzen an Theatern statt eines allein verantwortlichen Intendanten, Quote in Gremien, bei der Förderungen und bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, Transparenz bei Honoraren und Gehältern sowie Schulungen zur Sensibilisierung für tradierte Rollenstereotype seien politische und gesellschaftliche Maßnahmen, die dem Gender Pay Gap entgegenwirkten. Von der dadurch erreichten größeren Themenvielfalt profitierten alle.

Als besonderes Highlight wurde das Kick-off dieses Jahr künstlerisch umrahmt von Franziska Wilhelm, Autorin, Poetry Slammerin und Moderatorin aus Leipzig. Sie stellte anhand ihrer eigenen Situation die Herausforderungen als Künstlerin und Mutter dar. Das Publikum war begeistert.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Uta Zech, Leiterin der Equal Pay Day Kampagne. Sie stellte zum Schluss fest: „Geschlechtergerechtigkeit kann nicht warten, bis alle Krisen gelöst sind. Denn die nicht vorhandene Geschlechtergerechtigkeit ist Teil jeder Krise.“ Deshalb sei es um so wichtiger, am Equal Pay Day aktiv zu werden.

Die Aufzeichnung der Veranstaltung kann hier auf YouTube nachgesehen werden.

Das Programm zur Veranstaltung: Pdf-icon.gif Download PDF

Netzwerkveranstaltungen

In zwei weiteren digitalen Netzwerkveranstaltung am 15. November 2022 von 11:30 – 13:00 Uhr und am 21. November 2022, 18:30 – 20:30 Uhr wurden die Hintergründe der Equal Pay Day Kampagne 2023 beleuchtet, Aktionen vorgestellt und Tipps zur Durchführung erläutert. Auch diese können hier auf YouTube angeschaut werden.

Der Equal Pay Zukunftskongress am 4.3.2023 in Berlin in Kooperation mit dem Deutschen Kulturrat

Beim Equal Pay Zukunftskongress am 4. März 2023 kamen Vertreter:innen aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Kunst und Kultur zusammen, um Wege in eine geschlechtergerechte Zukunft mit gleicher Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit zu diskutieren.

Mit Blick auf das Kampagnenmotto „Die Kunst der gleichen Bezahlung“ statiert Bundesministerin Lisa Paus in ihrer Öffnungsrede: „Es ist eigentlich keine Kunst Männer und Frauen gleich zu bezahlen, es ist vielmehr das Recht der Frauen gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu bekommen – mindestens seit Artikel 3 des Grundgesetzes. Es geht nicht um Kreativität und Generosität, es geht um einen Anspruch und der basiert auf Gesetzen.“ Für eine verbesserte Durchsetzung dieses Anspruches plädiert die Ministerin für eine Überarbeitung des Entgelttransparenzgesetzes.

Und auch Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth betont den dringlichen Handlungsbedarf für equal pay: „Der Equal Pay Day ist kein Gedenktag, den man Jahr für Jahr friedlich und feierlich begeht, um dann zurück in die Normalität zu gehen. Eine Normalität, die absolut nicht normal ist. Eine Normalität, an die wir uns nicht gewöhnen, nicht hinnehmen und nicht akzeptieren dürfen. Weil sie ein krasser Widerspruch ist zu dem, was Demokratie eigentlich meint.“ Gerade im Bereich Kunst und Kultur bedeute diese Normalität ein Aufeinanderprallen von progressivem Anspruch und patriarchalen Strukturen.

Prof. Christian Höppner, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, wirbt daher für einen Equal Pay Gipfel: „Wenn wir uns alle mit dem Bundeskanzler zu einem Equal Pay Gipfel treffen, dann haben wir das, was wir brauchen: Denn equal pay ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, hinter die sich alle Ministerien und die Zivilgesellschaft stellen müssen.” Ein Gedanke, der wunderbar an den Ideenbaum passt, der das Foyer der Veranstaltungshalle des bUm Berlin ziert: Hier können Teilnehmende ihre Ideen, Wünsche und Forderungen für alles, was sich in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit verändern muss, sammeln.

Beim Blick auf Veränderungspotential nimmt Henrike von Platen vom Fair Pay Innovation Lab in ihrem Impulsvortrag die Unternehmen in die Pflicht: Das strukturelle Problem ungleicher Bezahlung könne nur dort gelöst werden, wo das Geld fließt – auf Seiten der Auftraggebenden und Arbeitgebenden. Feline Tecklenburg von Wirtschaft ist Care e.V. fordert derweil eine radikale Neuausrichtung auf eine care-zentrierte Wirtschaft, denn unbezahlte Sorgearbeit sei der größte Wirtschaftssektor in Deutschland – und dieser wird hauptsächlich von Frauen getragen.

Wichtige Grundlage für Diskussion und Forderungen rund um den Gender Pay Gap bieten wissenschaftliche Studien. Prof. Dr. Miriam Beblo stellt Klischees rund um Risikotoleranz, Selbstvertrauen und Wettbewerbsneigung von Männern und Frauen auf den Prüfstand und zeigt auf, wie diese Meta-Analysen kaum standhalten. Gabriele Schulz, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrats, legt erschreckende Zahlen einer neuen Studie des Deutschen Kulturrats zum Gender Pay Gap in Kultur und Medien vor. Absoluter negativer Spitzenreiter: 47 Prozent Gender Pay Gap im Bereich der Textdichtung.

Diese Zahlen untermauern, was auch in einer Fishbowl-Diskussion von Kongressteilnehmenden angemerkt wird: Insbesondere für selbstständige Künstler:innen brauche es Maßnahmen für equal pay, wie beispielsweise einheitliche Honoraruntergrenzen. Außerdem entkräften die Podiumsgäste Sätze aus dem Bullshit-Bingo-Glas, das die Teilnehmenden fleißig gefüllt haben. Auf roten Zetteln notierten sie antifeministische Sätze, die sie nicht mehr hören können – und machen ein für alle Mal deutlich, warum es Feminismus auch heute noch braucht.

m Anschluss geben Gesprächsduos – dynamisch und fundiert moderiert von Konstantin Rohé und Uta Zech – nähere Einblicke in die Sparten Darstellende Kunst, Bildende Kunst und Musik und deren Besonderheiten in Bezug auf Lohnungleichheit. Lisa Jopt, Präsidentin der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger, und Claudia Schmitz, Geschäftsführende Direktorin des Deutschen Bühnenvereins, sprechen über Entgeltstufen, „informelle Männerquoten“ und Unterstützungsnetzwerke von Frauen bei denen Lisa Jopt für „Kooperation statt Konfrontation“ wirbt. Christine Düwel, Vorsitzende der Internationalen Gesellschaft der Bildenden Künste, beschreibt die „finanzielle Achterbahn“ von freischaffenden Künstler:innen und diskutiert mit Kristian Jarmuschek vom Bundesverband Deutscher Galerien die Marktmacht von Konsument:innen und den Zugang zu Stipendien. Kristian Jarmuschek appelliert an die Verantwortung von Galerist:innen und spricht sich für eine Quote in der Kunst aus. Und Axel Ballreich, Vorsitzender der LiveMusikKommission und Sonia Simmenauer, Präsidentin Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, sprechen über die Auswirkungen von Corona auf die Musikbranche, ein „Star-System“ und die neue Beliebtheit von DJanes.

Das politische und progressive Potential von Kunst wird im Equal Pay Poetry Slam mit Josefine Berkholz (hier auf Youtube), Sebastian 23 (hier auf Youtube) und Sovia Szymula (hier auf Youtube) deutlich. Wortgewandt verhandeln sie Mental Load, Geschlechteridentitäten und equal pay in ihren Bühnenbeiträgen und unter tosendem Applaus wird Sovia Szymula vom Publikum als Sieger:in gekürt.

Abschließend appelliert Birte Siemonsen, Präsidentin des BPW Germany e.V. nochmals an die gesamtgesellschaftliche Verantwortung – und die des und der einzelnen: „Wir sind alle gefragt: In der Wirtschaft, Politik und in der Gesellschaft, uns zu engagieren und zu fordern. Und: Wir alle sind die Konsument:innen. Wenn wir nachfragen: Wo sind die Frauen in der Kunst, dann wird auch anders darüber nachgedacht. Wir haben eine Macht, die wir auch nutzen sollten.“

Das Programm zur Veranstaltung: Pdf-icon.gif Download PDF

Testimonialkampagne

Über 130 teils prominente Mitstreiter:innen haben sich in diesem Jahr solidarisch erklärt und den Skandal vom geschlechtsspezifischem Lohnunterschied publik gemacht. Hier sind sie gesammelt.

Literatur zum Schwerpunktthema

Literatur zum Schwerpunktthema ist in der Pressemappe verfügbar: Pdf-icon.gif Download PDF

Online Publikationen zum Equal Pay Day 2023

Equal Pay Day Journal 2023 Pdf-icon.gif Download PDF

Equal Pay Day Flyer 2023 Pdf-icon.gif Download PDF