Rechtsprechung in Deutschland

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Die Rechtsprechung zu im Bereich Lohngerechtigkeit steht in Deutschland schon seit langem in der Diskussion. Aufgrund von intransparenter Lohnstrukturen und daraus resultierenden Schwierigkeiten Lohnungerechtigkeit zu beweisen, sind grade in Deutschland nur wenige Fälle von Lohnungerechtigkeit vor Gericht. Daneben ist es in Deutschland nur möglich, dass einzelne Personen Klage einreichen. Sammelklagen oder das Klagerecht für stellvertretenden Organisationen, wie z.B. Betriebsräte oder die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, sind in Deutschland bisher nicht zulässig.

In diesem Artikel sind einige Fälle exemplarisch zu finden. Hier ist zu beachten, dass zwei dieser Fälle vor dem Europäischen Gerichtshof (EUGH) entschieden wurden und hier die höchsten Instanzen genannt sind.

Rechtliche Grundlagen

Europäisches Recht

Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist das Recht auf gleiche Bezahlung für gleiche oder gleichwertige Arbeit in Art. 157 festgeschrieben.

Art. 157 besagt:

"(1) Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.

(2) Unter "Entgelt" im Sinne dieses Artikels sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt. Gleichheit des Arbeitsentgelts ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bedeutet,

a) dass das Entgelt für eine gleiche nach Akkord bezahlte Arbeit aufgrund der gleichen Maßeinheit festgesetzt wird,

b) dass für eine nach Zeit bezahlte Arbeit das Entgelt bei gleichem Arbeitsplatz gleich ist.

(3) Das Europäische Parlament und der Rat beschließen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses Maßnahmen zur Gewährleistung der Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen, einschließlich des Grundsatzes des gleichen Entgelts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit.

(4) Im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben hindert der Grundsatz der Gleichbehandlung die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen."

Nationales Recht

In Deutschland fällt Diskriminierung aufgrund des Geschlechts wie auch andere Fälle von Diskriminierung unter das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Diskriminierung u. a. aufgrund des Geschlechts ist verboten. Hierzu zählt auch ungleiche Bezahlung.

Art. 1 AGG: Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Art. 7 (1) AGG: Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden [...].

Art. 8 (1) AGG: Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

Beweisbarkeit von ungleicher Bezahlung

Im Fall Danfoss aus dem Jahr 1989 hat der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass aufgrund der Intransparenz von Gehaltsstrukturen in Unternehmen die Beweislast nicht bei den Klägern, respektive der Arbeitnehmenden, sondern bei den Beklagten, den Arbeitgebern, liegt.

Laut AGG Art. 22 gilt: "[...], dass die Betroffene für einen Prozess Indizien vorlegen muss, die eine Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsmerkmals vermuten lassen. Wenn solche Indizien gegeben sind, dann muss der Arbeitgeber beweisen, dass keine unzulässige Benachteiligung vorliegt. Entscheidend ist allerdings zunächst, ob die Arbeitsgerichte die Indizien als ausreichend bewerten oder nicht. Die Beschäftigte muss daher beweisen können, dass sie weniger Entgelt erhält als der Kollege und sie muss beweisen, dass die Arbeit des Kollegen vergleichbar ist mit der eigenen Arbeit. Gelingt dieser Nachweis, kehrt sich die Beweislast zu Lasten des Arbeitgebers um."[1]

Fall Heinze - 1979

Die sogenannten Heinze-Frauen zogen 1979 vor Gericht, um gleiche Zuschläge zum Lohn zu erhalten. Das Unternehmen zahlte gleiche Stundenlöhne, jedoch für gleiche Arbeit unterschiedliche Zuschläge. Die Frauen erhielten von der Gewerkschaft IG Druck und Papier Rechtsschutz und klagten für rückwirkend für die gleichen Zuschläge wie die der Männer. Die Frauen beriefen sich dabei auf Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes, welcher besagt, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Das Bundesarbeitsgericht urteilte in dritter Instanz, dass übertarifliche Zulagen nicht nach Geschlecht geteilt werden dürfen. Damit waren die unterschiedlichen Zulagen unzulässig.[2]

Urteile:

- ArbG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. Mai 1979, Az. 3 Ca 58/79

- LAG Hamm, Urteil vom 19. September 1979, Az. 12 Sa 767/79

- BAG, Urteil vom 9. September 1981, Az. 5 AZR 1182/79

Bilka EUGH C-170/84

Im Fall Bilka entschied der EUGH, dass ein Unternehmen Arbeitnehmende aus der betrieblichen Altersvorsorge ausschließen darf, solange diese Maßnahme auf Faktoren beruht, die objektiv gerechtfertigt sind und nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Weiterhin kann ein Unternehmen Teilzeitbeschäftigte unabhängig von ihrem Geschlecht von der betrieblichen Altersversorgung ausschließen, wenn es möglichst wenige Teilzeitkräfte beschäftigen will und das gewählte Mittel ein wirkliches Bedürfnis des Unternehmens ist. Auch hat der EUGH entschieden, dass Unternehmen nicht verpflichtet sind, die für seine Beschäftigten vorgesehene Versorgungsordnung so auszugestalten, dass die für Arbeitnehmer mit familiären Verpflichtungen bestehenden besonderen Schwierigkeiten, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Betriebsrente zu erfüllen, berücksichtigt werden.

Schröder EUGH C-50/96

Im Fall Schröder wurde das wirtschaftliche Ziel von Art. 119, Vertrag der Europäischen Gemeinschaft, durch den Europäischen Gerichtshof in den Hintergrund gesetzt. Das Gericht entschied, dass Art. 119 vor allem ein soziales Ziel verfolgt sowie den Ausdruck eines Grundrechts darstellt. Demzufolge ist Equal Pay nicht ausschließlich ein wirtschaftliches Ziel der Europäischen Union, sondern ebenso ein soziales.

Fall Walla - 2012

Im Jahr 2012 hat Frau Walla beim Arbeitsgericht Stuttgart geklagt, dass in ihrem Fall eine geschlechtsspezifische Entgeltdiskriminierung vorliege. Ein Kollege auf gleicher Ebene mit geringer Qualifikation ist höher eingruppiert. Die Klage erfolgte mit Bezug zu § 3 Abs. 1 AGG und Art. 157 AEUV, welche eine geschlechtsspezifische Entgeltdiskriminierung verbieten. Mit der Klage möchte Frau Walla die rückwirkende Höhergruppierung erreichen. Der Entgeltunterschied aufgrund der Eingruppierung liegt derzeit bei rund 1.200 Euro pro Monat. Der Fall kam durch Zufall ans Tageslicht - ebenso wie der Fall der Heinze-Frauen. Bei einer Besprechung lag ein Zettel offen auf dem Tisch, auf dem die Entgeltgruppen der Mitarbeitenden gelistet waren. Das Arbeitsgericht Stuttgart urteilte, dass es sich in diesem Falle um eine Einzelfallentscheidung handele. Die Unterschiede in der Eingruppierung gingen aus vorangegangenen Beschäftigungen hervor und seien nicht auf geschlechtsspezifische Diskriminierung zurückzuführen. Damit wurde der Fall abgelehnt. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat das Urteil bestätigt. Im Jahr 2014 hat das Bundesarbeitsgericht den Fall zurückgewiesen.

Frau Walla hat im Mai 2014 Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Die Klage ist 2016 ohne Begründung abgewiesen worden. Die Klage wurde danach dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte übergeben, der die Klage ebenfalls abgewiesen hat.

2014 hatte Frau Walla den Fall an die Öffentlichkeit gebracht. Berichte sind u. a. im Deutschlandfunk - 19.03.2015: Gleiche Arbeit, ungleiche Bezahlung - sowie in der Welt - 21.04.2015: Frau zieht wegen Lohn vor Bundesverfassungsgericht - zu finden.

Urteile:

- AG Stuttgart, Urteil vom 27.02.2013 – 22 Ca 6784/12

- LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2013 - 1 Sa 7/13

Fall Birkenstock - 2013

2015 wurde der Fall Birkenstock öffentlich. Der Schuhhersteller hatte Frauen in der Produktion pro Stunde einen Euro weniger bezahlt als Männern - bei gleicher Tätigkeit und Qualifikation. Auch das Weihnachts- und Urlaubsgeld wies Unterschiede auf. Das Arbeitsgericht urteilte, dass dieser Unterschied nicht gerechtfertigt sei und gab der Klägerin recht. Daraufhin klagten über 100 weitere Beschäftigte von Birkenstock gegen die Lohndiskriminierung. Erwartet wird, dass Lohnrückzahlungen sowie Entschädigungen in Millionenhöhe gezahlt werden müssen.[3]

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.08.2014

„Geschlechtsbezogene Entgeltdiskriminierung – Erfüllungs-und Entschädigungsansprüche

Leitsätze:

1. Machen Arbeitnehmerinnen wegen geschlechtsbezogener Entgeltdiskriminierung Vergütungsdifferenzen zum Lohn, der den Männern gezahlt worden ist, geltend, handelt es sich um Erfüllungsansprüche, die nicht der Frist des § 15 Abs. 4 AGG unterliegen.

2. Vergütet ein Arbeitgeber Frauen bei gleicher Tätigkeit wegen ihres Geschlechts geringer als Männer, steht den Frauen ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu.

3. Vorliegend ist für die mit der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung verbundene Persönlichkeitsverletzung für jede betroffene Frau ein einheitlicher Entschädigungsbetrag von EUR 6.000, angemessen."[4]

Urteile:

- AG Koblenz, Urteil vom 25.09.2013

- LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.08.2014 – 5 Sa 509/13

- Nachgehend BAG, Beschluss vom 28.01.2015: Zurückweisung

siehe auch:

- AG Koblenz, Urteil vom 27. 08.2013 - 9 Ca 373/13

- LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.05.2015 – 5 Sa 436/13

sowie:

- AG Koblenz, Urteil 2 Ca 360/13

- LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.10.2016 - 4 Sa 12/14

Fall Birte Meier - 2015

Bereits 2015 reichte Journalistin Birte Meier, tätig für das Politmagazin Frontal 21, klage beim Amtsgericht Berlin gegen ihren Arbeitgeber - das ZDF - ein. Birte Meier fand heraus, dass sie trotz vergleichbarer Arbeit und Qualifikation und zum Teil mehr Erfahrung weniger verdiente als männliche Kollegen. Im Februar 2017 wurde die Klage in erster Instanz vom Arbeitsgericht Berlin mit folgender Begrundung abgewiesen: "Die von der Klägerin benannten Mitarbeiter sind nicht vergleichbar, weil diese zum Teil in einem anderen Rechtsverhältnis tätig sind oder – soweit sie in einem vergleichbaren Rechtsverhältnis stehen – über längere Beschäftigungszeiten verfügen."[5] Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Das Verfahren liegt damit beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg.

Arbeitsgericht Berlin, Aktenzeichen 56 Ca 5356/15

Gesellschaft für Freiheitsrecht: GFF unterstützt Klage auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit

Edition F: Warum die Journalistin Birte Meier mit ihrer Klage gegen das ZDF auch anderen Frauen hilft

"Die Klage der ZDF-Journalistin Birte Meier wegen Entgeltdiskriminierung vor dem Landesarbeitsgericht wurde am 5. Februar 2019 abgewiesen."[6]

Weitere Information zum Fall bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte: Equal Pay

Quellen

Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Entgeltgleichheit - Beweisbarkeit

Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Ausgewählte Entscheidungen deutscher Gerichte zum Antidiskriminierungsrecht, 2016

Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Zusammenfassung ausgewählter EuGH-Entscheidungen zum Antidiskriminierungsrecht ab dem Jahr 2000, 2016

Craig, P. & De Búrca, G. (2008). Equal Treatment of Women and Men. In Craig, P. & De Búrca, G. (eds.). EU Law: Text, Cases and Material. 4th Edition. Oxford: Oxford university Press. S. 874-949.

Referenzen

  1. Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Entgeltgleichheit - Beweisbarkeit
  2. Frauenarbeit: Reiner Zufall. In: DER SPIEGEL 38/1981
  3. Ungleicher Stundenlohn: Birkenstock zahlte Frauen einen Euro weniger. SPIEGEL Online
  4. Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Ausgewählte Entscheidungen deutscher Gerichte zum Antidiskriminierungsrecht, 2016
  5. Amtsgericht Berlin: Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern – Arbeitsgericht weist Klage einer Reporterin des ZDF ab
  6. Edition F: Keine Diskriminierung? Die Klage einer ZDF-Journalistin wegen ungleichem Lohn wurde erneut abgewiesen

Siehe auch

Rechtsprechung in der Europäischen Union